Was ist eine Retraumatisierung?

Eine Retraumatisierung tritt auf, wenn eine Person erneut traumatisiert wird, indem sie ähnlichen Belastungen oder Auslösern ausgesetzt ist, die das ursprüngliche Trauma verursacht haben oder damit in Verbindung stehen.

Dies geschieht in der Regel, wenn die zugrunde liegenden Traumata noch nicht vollständig bewältigt oder verarbeitet wurden.

15 Auslöser, durch die eine Re-Traumatisierung auftreten kann:

1. Triggernde Ereignisse: Situationen, Orte, Menschen oder Ereignisse, die dem ursprünglichen Trauma ähneln, können starke emotionale Reaktionen auslösen und eine Retraumatisierung verursachen.

2. Ähnliche Stressoren: Wenn eine Person ähnlichen Stressoren ausgesetzt ist wie bei dem ursprünglichen Trauma, kann dies eine Retraumatisierung auslösen. Zum Beispiel kann ein Opfer von häuslicher Gewalt erneut traumatisiert werden, wenn es in eine ähnliche gewalttätige Situation gerät.

3. Verbale Auslöser: Worte, Sätze oder Stimmen, die mit dem Trauma verbunden sind, können unerwartet auftauchen und eine Retraumatisierung verursachen.

4. Körperliche Berührung: Berührungen oder physische Interaktionen, die an das ursprüngliche Trauma erinnern, können starke emotionale Reaktionen auslösen und eine Retraumatisierung hervorrufen.

5. Emotionale Intensität: Starke emotionale Reaktionen wie Angst, Panik, Wut oder Hilflosigkeit können die Erinnerungen an das ursprüngliche Trauma wiedererwecken und eine Retraumatisierung auslösen.

7. Soziale Interaktionen: Interaktionen mit anderen Personen, insbesondere solchen, die das Trauma verursacht haben oder ähnliche Verhaltensweisen zeigen, können eine Retraumatisierung auslösen.

7. Medien oder Nachrichten: Das Sehen oder Hören von Nachrichten, Filmen oder Geschichten, die das ursprüngliche Trauma widerspiegeln oder ähneln, kann eine Retraumatisierung verursachen.

8. Träume und Flashbacks: Träume oder Flashbacks, die das Trauma wiedererleben lassen, können eine Retraumatisierung auslösen, insbesondere wenn sie intensiv sind und die Person das Gefühl haben lässt, das Trauma erneut zu erleben.

9. Ähnliche Gerüche oder Geräusche: Sinneswahrnehmungen wie Gerüche oder Geräusche, die mit dem ursprünglichen Trauma verbunden sind, können unerwartet auftreten und eine Retraumatisierung verursachen.

10. Annäherung an den Täter: Wenn eine Person dem Täter oder den Tätern des Traumas erneut begegnet oder in Kontakt mit ihnen kommt, kann dies eine starke emotionale Reaktion auslösen und eine Retraumatisierung verursachen.

11. Gefühl der Hilflosigkeit: Situationen, die ein Gefühl der Hilflosigkeit oder Ausgeliefertheit hervorrufen, können Erinnerungen an das ursprüngliche Trauma hervorrufen und eine Retraumatisierung auslösen.

12. Konfrontation mit Folgen des Traumas: Das Erleben oder Zeugen von Ereignissen, die die Folgen des Traumas verdeutlichen, wie beispielsweise eine gewalttätige Auseinandersetzung, kann eine Retraumatisierung verursachen.

13. Verlust oder Trennung: Erfahrungen von Verlust oder Trennung, insbesondere von unterstützenden Personen oder Orten, können das Gefühl der Sicherheit und Stabilität beeinträchtigen und eine Retraumatisierung auslösen.

14. Änderungen in der Umgebung: Änderungen in der Umgebung, die dem Ort des Traumas ähneln, können Erinnerungen hervorrufen und eine Retraumatisierung verursachen.

15. Einsamkeit oder Isolation: Das Gefühl der Einsamkeit oder Isolation kann das Risiko einer Retraumatisierung erhöhen, da es die emotionalen Ressourcen und Bewältigungsmechanismen einer Person beeinträchtigen kann.

Welche Symptome können bei einer Retraumatisierung aufteten?

 

Eine Retraumatisierung kann sich auf verschiedene Arten äußern, sowohl auf emotionaler als auch auf körperlicher Ebene. Hier sind einige häufige Anzeichen und Symptome, die darauf hinweisen können, dass eine Person retraumatisiert wurde:

1. Intensive emotionale Reaktionen: Plötzliche und überwältigende Emotionen wie Angst, Panik, Wut, Trauer oder Hilflosigkeit können auftreten, oft ohne ersichtlichen Auslöser.

2. Flashbacks und Erinnerungen: Die Person kann unkontrollierbare Flashbacks oder intensive Erinnerungen an das ursprüngliche Trauma erleben, die das Gefühl vermitteln, das Trauma erneut zu erleben.

3. Vermeidungsverhalten: Die Person kann beginnen, Situationen, Orte, Menschen oder Aktivitäten zu vermeiden, die an das Trauma erinnern oder ähnliche Stressoren auslösen könnten.

4. Hypervigilanz: Eine erhöhte Wachsamkeit oder Hypervigilanz kann auftreten, wobei die Person ständig auf potenzielle Bedrohungen oder Gefahren achtet.

5. Körperliche Symptome: Körperliche Symptome wie Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot, Übelkeit oder Schwindel können auftreten, oft als Reaktion auf die intensiven emotionalen Reaktionen.

6. Schlafstörungen: Probleme beim Einschlafen, Durchschlafen oder Albträume können häufig auftreten, wodurch die Erholung beeinträchtigt wird.

7. Stimmungsschwankungen: Die Person kann unvorhersehbare Stimmungsschwankungen erleben, von extremer Niedergeschlagenheit und Depression bis hin zu plötzlichen Wutausbrüchen oder Reizbarkeit.

8. Soziale Rückzug: Die Person kann sich von anderen zurückziehen, soziale Interaktionen vermeiden oder das Vertrauen in Beziehungen verlieren.

9. Selbstschädigendes Verhalten: Selbstverletzendes Verhalten wie Selbstbeschädigung, Drogenmissbrauch oder riskantes Verhalten können auftreten, um mit den intensiven Emotionen umzugehen.

10. Gefühl der Entfremdung: Die Person kann ein Gefühl der Entfremdung von sich selbst, anderen Menschen oder der Umwelt erleben, was zu einer weiteren Isolation führen kann.

11. Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Dinge zu erledigen, können auftreten, da die Gedanken häufig von den traumatischen Erinnerungen überwältigt werden.

12. Verlust des Zeitgefühls: Die Person kann das Gefühl haben, die Kontrolle über die Zeit zu verlieren oder das Gefühl haben, in der Vergangenheit gefangen zu sein.

13. Physische Beschwerden ohne klare Ursache: Unspezifische körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Muskelverspannungen können auftreten, ohne eine klare medizinische Ursache.

14. Veränderungen im Essverhalten: Essstörungen wie übermäßiges Essen oder Appetitlosigkeit können auftreten, da die Person versucht, mit den emotionalen Belastungen umzugehen.

15. Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit: Die Person kann ein tiefes Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit erleben, das ihre Fähigkeit beeinträchtigt, positive Veränderungen herbeizuführen oder Hilfe zu suchen.

Die Sicht der Polyvagaltheorie auf die Retraumatisierung:

Die Polyvagaltheorie von Dr. Stephen Porges bietet einen faszinierenden Einblick in die Dynamik des autonomen Nervensystems und seine Rolle bei der Regulation von Emotionen und Stressreaktionen. Im Kontext der Re-Traumatisierung können wir die Theorie nutzen, um zu verstehen, wie das Nervensystem auf traumatische Reize reagiert:

1. Polyvagales Nervensystem (PNS): Die Polyvagaltheorie beschreibt das autonome Nervensystem als komplexes System, das in unterschiedlichen Wegen agiert, um auf verschiedene Umweltreize zu reagieren. Der ventrale Vagus wird mit Sicherheit und sozialem Engagement verbunden, während der dorsale Vagus mit Überlebensreaktionen wie Erstarrung oder Rückzug in Verbindung gebracht wird.

2. Ventraler Vagus und Sicherheit: Wenn eine Person sich sicher fühlt und soziale Bindungen aufbauen kann, ist der ventrale Vagus aktiviert. Dies unterstützt die Regulation von Emotionen und Stress und fördert ein Gefühl der Sicherheit und Verbundenheit.

3. Dorsaler Vagus und Überlebensreaktionen: In Gefahrensituationen kann der dorsale Vagus aktiviert werden, was zu einer gesteigerten Stressreaktion führt. Diese Reaktionen sind Teil des Überlebensmechanismus des Körpers und können dazu führen, dass eine Person sich zurückzieht oder erstarren.

4. Retraumatisierung und Polyvagaltheorie: Re-Traumatisierung kann als eine Aktivierung des dorsalen Vagus und eine Deaktivierung des ventralen Vagus verstanden werden. Das Wiedererleben des Traumas oder das Ausgesetztsein gegenüber triggernden Reizen kann das autonome Nervensystem in einen Zustand der Alarmbereitschaft versetzen, was zu übermäßigen Stressreaktionen führt.

5. Disregulation des autonomen Nervensystems: Die Auswirkungen von Retraumatisierung können zu einer Dysregulation des autonomen Nervensystems führen, wobei der Wechsel zwischen den verschiedenen Zuständen des Vagus gestört ist. Dies kann dazu führen, dass eine Person Schwierigkeiten hat, sich sicher zu fühlen und soziale Bindungen aufrechtzuerhalten, was die Bewältigung des Traumas erschwert.

6. Rolle von Sicherheit und Verbundenheit: Die Polyvagaltheorie betont die Bedeutung von Sicherheit und sozialer Verbundenheit bei der Regulation von Emotionen und Stressreaktionen. Eine unterstützende und sichere Umgebung kann dazu beitragen, das autonome Nervensystem in einen Zustand der Sicherheit zu versetzen und die Auswirkungen von Retraumatisierung zu verringern.

7. Dysfunktionale Überlebensmechanismen: Im Kontext der Polyvagaltheorie können retraumatisierte Personen dazu neigen, auf dysfunktionale Überlebensmechanismen zurückzugreifen, um mit den intensiven Emotionen und dem Stress umzugehen. Diese Mechanismen können sowohl im Bereich des ventralen Vagus, wie beispielsweise übermäßiges soziales Anpassungsverhalten, als auch im Bereich des dorsalen Vagus, wie Erstarrung oder Rückzug, auftreten. Die Reaktivierung des dorsalen Vagus kann dazu führen, dass die Person in einen Zustand von Erstarrung oder Dissoziation gerät, was es ihr schwer macht, angemessen auf die aktuellen Stressoren zu reagieren.

Die Polyvagaltheorie Dir helfen, ein tieferes Verständnis für Deine Reaktionen auf Trauma zu entwickeln und dir Tools und Interventionen an die Hand zu geben, um Deine Selbstregulierungsfähigkeiten zu stärken und die Retraumatisierung zu bewältigen.

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