Bei Dir selbst bleiben
Selbstwahrnehmung und Empathie in der zwischenmenschlichen Kommunikation
Warum ist es oft so herausfordernd, auf äußere Herausforderungen mit innerer Gelassenheit und Mitgefühl zu reagieren, anstatt in eine reaktive Haltung zu verfallen?
Das betrifft nicht nur Menschen, die traumatische Erfahrungen durchgemacht haben, sondern ist eine Herausforderung, der sich viele von uns stellen müssen.
Traumatisierte Personen können besonders empfindlich auf kritische Äußerungen oder Konflikte in ihrem persönlichen Umfeld reagieren. Diese Reaktionen können in der Sichtweise unseres verletzten inneren Kindes wurzeln und die Welt durch die Brille unserer vergangenen Erfahrungen interpretieren.
Stell dir vor, jemand in deiner Nähe äußert Kritik, und du fühlst dich, als würde deine Welt zusammenbrechen. Wenn diese Person auch noch eine wichtige Rolle in deinem Leben spielt, wie ein Freund, Partner, Elternteil oder Geschwister, kann das alte Trauma wieder an die Oberfläche kommen.
Warum passiert das? Als Kinder waren wir von unseren Bezugspersonen abhängig, um zu überleben. Wir mussten uns auf die Fürsorge und Sicherheit unserer Eltern oder Betreuer verlassen, um nicht hungrig zu sein, vor Kälte geschützt zu sein oder anderen Gefahren ausgesetzt zu werden.
Man könnte denken, dass wir uns weiterentwickelt haben und nicht mehr denselben Bedrohungen ausgesetzt sind wie in der Steinzeit. Das ist zwar richtig, doch ein Teil unseres Gehirns, der sogenannte Hirnstamm, reagiert immer noch instinktiv auf mögliche Gefahren.
In gewisser Weise sind die Löwen, Bären und Wölfe, vor denen wir uns schützen mussten, in uns geblieben. Sie haben sich in Form von Glaubenssätzen und Verhaltensmustern in uns manifestiert und beeinflussen unsere Wahrnehmung der Welt und unser Verhalten.
Die meisten von uns haben keine Kindheit erlebt, in der sie bedingungslose Liebe, Geborgenheit und Sicherheit erfahren haben. Wir haben überlebt, aber es hat uns an emotionaler Unterstützung und Zuwendung gefehlt.
Um uns anzupassen und nicht aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, haben wir gelernt, uns anzupassen und Teile unserer Persönlichkeit zu unterdrücken. Diese Muster sind immer noch in uns, wenn auch nicht mehr so dominant. In bestimmten Situationen fallen wir immer noch in alte Verhaltensweisen zurück.
Wir haben ein Selbstbild entwickelt, um in der Welt zu bestehen und zu funktionieren. Doch die Auslöser für unsere alten Reaktionsmuster lauern weiterhin, und unser Selbstbild kann leicht erschüttert werden.
In Stresssituationen, wenn wir uns körperlich unwohl fühlen oder emotional belastet sind, sind wir besonders verletzlich. Ängste, Ohnmacht und Minderwertigkeitsgefühle aus der Kindheit können wieder auftauchen und uns überwältigen.
Es ist entscheidend, in diesen Momenten bewusst wahrzunehmen, was in uns vorgeht. Wir sollten die Verbindung zwischen unseren aktuellen Gefühlen und den traumatischen Erfahrungen aus unserer Kindheit erkennen.
Wir müssen lernen, die Situation aus einer distanzierten Perspektive zu betrachten und zu erkennen, dass uns keine lebensbedrohlichen Gefahren drohen, wenn jemand Kritik äußert oder eine andere Meinung hat.
Ein wesentlicher Schritt ist es, unser Selbstwertgefühl zu stärken und zu erkennen, dass wir so, wie wir sind, in Ordnung sind. Ebenso wichtig ist es, anzuerkennen, dass auch andere Menschen mit ihren eigenen Unsicherheiten und Bedürfnissen existieren.
Es ist möglich, dass die Kritik oder die unpassende Äußerung einer anderen Person nicht böswillig gemeint war. Vielleicht haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht wie wir oder handeln aus eigenen Unsicherheiten.
Es ist von großer Bedeutung, sich bewusst zu machen, was genau uns in solchen Momenten getroffen hat. Ist es eine alte Wunde, die heilen muss? In vielen Fällen kann es hilfreich sein, dies offen mit der anderen Person zu besprechen, nachzufragen, wie sie ihre Aussage gemeint hat und welche Absicht dahintersteckt.
Durch solch offene Kommunikation kann Nähe und Verständnis entstehen. Es ist möglich, dass die andere Person einen schlechten Tag hatte oder ihre Äußerung anders gemeint hat, als sie ankam.
Es wäre sicherlich einen Versuch wert, eine alternative Herangehensweise zu wählen, anstatt sich rhetorisch zu verteidigen oder sich von der Situation abzuwenden. Denn beides könnte dazu führen, dass der Kontakt abbricht und man erneut die Überzeugung bestätigt, dass die Welt und die Menschen böse sind.

Wie kannst Du bei Dir selbst bleiben?
Im hektischen Alltag, in Beziehungen oder im Umgang mit herausfordernden Menschen ist es leicht, sich zu verlieren. Besonders dann, wenn Du aus einer Familienstruktur kommst, in der emotionale Übergriffe, Grenzverletzungen oder Manipulation an der Tagesordnung waren, kann es schwerfallen, ein klares Gespür für Dich selbst zu entwickeln und zu bewahren. Doch es ist möglich, in Deiner Mitte zu bleiben und Dich nicht von äußeren Einflüssen dominieren zu lassen. Hier sind einige essenzielle Wege, um bei Dir selbst zu bleiben:
1. Dein inneres Erleben wahrnehmen – bei Dir selbst bleiben lernen
Oft geschieht es unbewusst, dass Du Dich von äußeren Erwartungen, Bedürfnissen oder Stimmungen anderer Menschen mitreißen lässt. Um das zu vermeiden, hilft es, regelmäßig innezuhalten und Dich zu fragen:
- Wie geht es mir gerade wirklich?
- Was fühle ich in meinem Körper?
- Was sind meine echten Bedürfnisse und was sind Erwartungen von außen?
Diese Fragen helfen, Klarheit über Deine eigenen Grenzen und Emotionen zu gewinnen.
2. Gesunde Grenzen setzen, um bei Dir selbst zu bleiben
Grenzen sind essenziell, um Dich selbst nicht zu verlieren. Das bedeutet:
- Nein sagen, ohne Schuldgefühle
- Deine eigenen Werte und Bedürfnisse klar vertreten
- Dich von toxischen oder energieraubenden Menschen distanzieren
- Nicht über Deine eigenen emotionalen und körperlichen Kapazitäten hinausgehen
Grenzen schützen Deine Energie und helfen, Dich selbst zu achten.
3. Dich selbst ernst nehmen
Viele Menschen, die in ihrer Kindheit gelernt haben, sich anzupassen oder ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, neigen dazu, sich selbst zu übergehen. Es ist wichtig, dass Du Dich und Deine Gefühle ernst nimmst. Du darfst Dir erlauben, Deine Wahrheit zu spüren und sie auszudrücken – ohne Dich dafür zu rechtfertigen oder zu entschuldigen.
4. In Deinen Körper spüren
Der Körper ist oft ein direkter Wegweiser zu Dir selbst. Praktiken wie:
- Atemübungen
- Körperwahrnehmung (z.B. Bodyscans oder achtsame Bewegung)
- Berührungen, die Dir guttun (Selbstmassage, Yoga, Tanzen)
helfen, Dich aus dem Kopf heraus wieder in den Moment und in Dein eigenes Empfinden zurückzubringen.
5. Emotionale Unabhängigkeit stärken
Oft lassen wir uns von der Meinung oder den Reaktionen anderer beeinflussen. Doch wenn Du innerlich stabil bist, brauchst Du nicht ständig Bestätigung oder Anerkennung. Das bedeutet:
- Deine eigenen Werte über äußere Bewertungen stellen
- Selbstfürsorge praktizieren, um emotionale Stabilität zu entwickeln
- Alte Glaubenssätze aufspüren, die Dich in Abhängigkeiten halten
6. Achtsamer Umgang mit Reizen von außen
Gerade hochsensible oder empathische Menschen nehmen Energien und Stimmungen anderer intensiv wahr. Um Dich nicht von diesen vereinnahmen zu lassen, kannst Du:
- Bewusst zwischen Deinen eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer unterscheiden
- Dich durch Visualisierungen oder Rituale energetisch abgrenzen
- Phasen der Stille und des Alleinseins in den Alltag integrieren
7. Dich immer wieder selbst reflektieren
Journaling, Meditation oder Gespräche mit einer vertrauenswürdigen Person können helfen, regelmäßig zu überprüfen:
- Bin ich gerade noch bei mir oder reagiere ich nur auf äußere Erwartungen?
- Welche Muster oder Dynamiken lassen mich mich selbst verlieren?
- Wo kann ich bewusster für mich einstehen?
8. Deine eigenen Werte und Visionen leben
Wenn Du Deine eigene Richtung kennst, fällt es leichter, Dich nicht zu verlieren. Definiere für Dich:
- Was ist mir im Leben wirklich wichtig?
- Welche Menschen und Umstände tun mir gut?
- Was möchte ich in die Welt bringen?
Diese Klarheit hilft Dir, unabhängig von äußeren Einflüssen Deinen eigenen Weg zu gehen.
Bei Dir selbst zu bleiben bedeutet nicht, Dich von der Welt abzuschotten, sondern mit ihr in Kontakt zu sein, ohne Dich von ihr bestimmen zu lassen. Es ist ein bewusster Prozess, der Achtsamkeit, Selbstliebe und Übung erfordert. Je mehr Du lernst, in Dir selbst verwurzelt zu sein, desto mehr kannst Du Dein Leben in innerer Freiheit und Selbstbestimmtheit gestalten.
Schöne aufklärende Worte auf dem Weg zu mir.
Danke Dir! <3